Alle News

Rémi Jobard


Rémi Jobard

und der 2019er Jahrgang




Nach dem 2018er Jahrgang folgte mit 2019 der zweite Jahrgang eines – wie viele Winzer im Burgund mittlerweile sagen – neuen Zeitalters. Die Dinge verändern sich und es wird komplexer, darauf zu reagieren. Doch wenn man die Weine von Rémi Jobard probiert, dann kann man nur sagen: Der Mann hat das auf ganz fabelhafte Weise im Griff. Seine 2019er Weine sind ein Ausbund an Balance und fügen die Besonderheiten des Jahrgangs wie in einem Puzzle zusammen.
Der Jahrgang 2019
2019 war ein warmes Jahr an der Côte de Beaune, aber es war nicht so heiß, dass die Trauben gekocht worden wären, wie das teilweise 2018 der Fall war. Es gab so gut wie keinen Winter und einen sehr mäßigen Frühling mit einem Niederschlag, der nur ausreichend, aber nicht wirklich hilfreich war. Der Knospenaustrieb erfolgte bereits rund um den 2. April, was rund eine Woche früher war als im Durchschnitt. Direkt darauf, in der Nacht vom 4. Zum 5. April fiel das Thermometer und der 0 °C und der Frost traf vor allem Weinbergen in Chassagne-Montrachet und Saint-Aubin. Ein zweiter Frost am 15. April hatte weniger gravierende Folgen. Nach der Blüte bleib der Sommer warm und trocken.
Die Temperaturen lagen im Juni bei durchschnittlich 20,1 °C und im Juli bei 23,1 °C. Es gab „nur“ zwei Hitzewellen Ende Juni und Juli, wo die Temperaturen auf rund 42 °C steigen, aber eben nur kurz, so dass kaum Trauben verbrannt sind, wie das teilweise in Vouvray an der Loire der Fall war. Zudem gab es kurze Regenfälle gegen den Trockenstress. Im gesamten Sommer, vor allem im August gab es dabei ungewöhnlich viele Sonnenstunden mit viel Helligkeit, was wieder anderer Herausforderungen an das Laubmanagement in den Weinbergen stellt. Sie dürften auch mit dafür verantwortlich sein,
dass der Zucker in den Trauben zur Lese hin schnell und stark angestiegen ist. In 2018 lag der tägliche Zuckeranstieg beim Chardonnay in der Hochphase bei 2,9 g/L, in 2019 bei 4,4 g/L (Daten aus Neal Martin, La Lumière Noire, Vinous). Der richtige Lesezeitpunkt war dann wieder das entscheidende Momentum. Bei Rémi Jobard begann die Lese am 12. September, also eine knappe Woche früher als eigentlich geplant. Rémi Jobard ist ein penibler Arbeiter im Weinberg. Der Sohn von Charles Jobard und Neffe des legendären François Jobard verbringt die mit Abstand meiste Zeit schweigsam im Weinberg seines Heimatortes Meursault. Die Weinberge sind schon seit 1994 herbizid- und pestizidfrei. 2011 erfolgte die Bio-Zertifizierung. Er hat einen exzellenten Überblick über die Reife der Trauben.
Der Jahrgang im Keller
Im Keller verhielt sich der Chardonnay ganz anders, als in 2018. Im Jahr 2018 waren die Beeren ungewöhnlich prall gefüllt mir Saft. Manche Winzer hatten gar nicht genügend Behälter, um den Saft aufzufangen. In 2019 dagegen war die Ausbeute viel geringer. Dafür aber schmeckten die Trauben von Beginn an viel stärker nach dem Climat, aus dem sie stammten. Das musste sich in 2018 erst langsam entwickeln.
Recht offensichtlich ist, dass die insgesamt gleichmäßigere Wachstumperiode und kühlende Winde im Spätsommer für niedrigere pH-Werte und eine lebendigere Säurewerte gesorgt haben. Insofern ist das Ergebnis gar nicht so ganz unähnlich zu vielen Rieslingen, die man hierzulande schon aus 2020 probieren kann.
In beiden Fällen schmeckten die Trauben und nun der daraus entstandene Wein reif, saftig und nach Volumen, die Säure aber wirkt viel lebendiger als es die Nase erwarten lassen würde. 
Frische trifft Fülle
Bei Jobard heißt das, dass die Weine durch die Bank weg – wenn sie nicht gerade sehr verschlossen sind – sehr sinnlich duften, Reife zeigen aber sehr weit entfernt sind von zu reifen, also tropischen oder buttrigen Noten. Die Weine wirken insgesamt wie eine Quintessenz aus 2017 und 2018, nicht ganz so nervig und rassig wie 2017, aber doch vibrierender und straighter als 2018. Sie bieten also eine bemerkenswerte, teils glasklare Frische und die Mineralität der alten Reben, die Jobard besitzt, aber ebenso eine fast hedonistische Fülle. Diese Kraft, diese Reife bindet Jobard fast nebenbei und nonchalant mit der Säurestruktur, die er perfekt abgepasst hat. 
Jobard, der Weißweinwinzer
Jobard ist ein ausgewiesener Weißweinwinzer, weshalb seine beiden Pinot-Lagen auch diese Handschrift tragen. Die Premier-Cru-Lagen in Monthélie und Volnay liegen vergleichsweise hoch und passen daher mit ihrer recht kühlen Anmutung zum Portfolio von Jobard. Beim Volnay Les Santenots gibt es zudem die Besonderheit, dass die Lage zwar zu Meursault gehört.
Da sie aber seit Jahrhunderten mit Pinot bestockt ist und Meursault als reine Weißweingemeinde ausgewiesen ist, firmiert Les Santenots als Volnay. Beide Weine wirken in diesem Jahr ähnlich ansprechend und einladend und liefern dabei ein absolut typischen Abbild des Climats. Der Volnay wirkt hell, rot und fruchtig, der Monthélie Les Vignes-Rondes dunkel, würzig und fast kühl. Dabei steht das Holz aktuell noch leicht im Vordergrund und wirkt expressiver als bei den Weißweinen.
Den 2019er Bourgogne Côte d’Ôr Vieilles Vignes kann man jetzt schon mit Vergnügen trinken. Ähnlich offen und einladend zeigt sich Les Chevalières. Ab Les Narvaux, dieser Village-Lage mit Premier-Cru-Potential, sollte man warten und den Weinen Zeit gönnen, auch wenn es schon viel Spaß macht, beispielsweise die geradezu elektrisierende und pulsierende Spannung eines Le Poruzot Dessus 1er Cru mitzuerleben. Das sind für mich herausragende Meursaults aus 2019, die eine immense innere Spannung besitzen und trotzdem in sich ruhen, als hätten sie gerade eine Stunde Yoga mit anschließender Meditation absolviert. Die 2019er sind vielleicht Jobards bisher besten Weine. 
Text und Weinexpertisen: Christoph Raffelt