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Pflanzenwuchs, Natur, Draußen, Garten, Auf dem Land
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Cà del Vént

Die Ursprünge des Ortes Cellatica und von Cà del Vént

Die Campiani di Cellatica liegen unweit der Stadt Brescia auf dem Weg zum Lago d’Iseo in der Lombardei. Der Name „Cellatica“ soll sich vom lateinischen „cella“ ableiten, einem Begriff, der vor dem 10. Jahrhundert noch so etwas wie „Oratorium“ oder „kleine Kirche“ bedeutete und später als Bezeichnung ländlicher Obstlagerstätten diente. Wahrscheinlich, weil es sich dabei meist um die „cella vinaria“ eines Klosters handelte. Archäologische Funde deuten sogar darauf hin, dass schon die Kelten dort Trauben angebaut haben. Auf jeden Fall wurden Weine aus Cellatica im 15. Jahrhundert auf Grund ihrer Qualität nach Rom und Mailand verkauft und die Hügelkette in Form eines Amphitheaters mit Böden aus Kalk, Ton und schwerem Lehm war auch noch im 18. Jahrhundert berühmt für ihre Trauben. Später wurde der Weinbau in den steilen Hügeln zunehmend unrentabel. Anfang des 19. Jahrhunderts, zur Zeit des von Napoleon regierten Satellitenstaates „Königreich Italien“ wurde das heutige Weingut mit dem Namen „Cà del Vént“ in das Kataster eingetragen.

Natur, Draußen, Auf dem Land, Ländlich, Bauernhof

Den Namen hat das Haus nicht von ungefähr, denn es steht abgelegen und dort, wo beständig Winde über den Hügelkamm wehen. Es ist die Manifestation einer harten, rauen, steilen Landschaft mit Weinbau in Terrassenform, die sich fundamental von dem unterscheidet, was man eigentlich als Franciacorta kennt. Und trotzdem liegen die elf Parzellen innerhalb der DOCG, wenn auch am äußersten Rand. Während die bekannten Erzeuger so gut wie alle ihre Reben in der Ebene in kiesigen Böden gesetzt haben und smit in Tälern, wo die Luft im Sommer steht, profitieren die Rebstöcke von Cà del Vént von einem steten Wind und einer bedeutenden Temperaturschwankung zwischen Tag und Nacht.

Natur, Draußen, Himmel, Szenerie, Boden

Gegründet 1994, unabhängig im Jahr 2015

Dass das Weingut ein Jahr vor der Gründung der Appellation Franciacorta gegründet wurde, ist Zufall. Die ersten Jahre bis 2001 wurden auf Cà del Vént nur Rotweine der DOC Cellatica erzeugt und somit Weine der autochthonen Rebsorten Marzemino, Barbera und Schiava Gentile. Es war ein Garagenweingut ohne jegliche technische Hilfsmittel. Doch nach und nach ist ein sechs Hektar umfassenden Weingut entstanden, das sich mit zunehmender Erfahrung auch der Erzeugung von Schaumweinen verschrieben hat. 2001 wurden die ersten 2.000 Flaschen Franciacorta vinifiziert, 2006 hat man die heutige Größe erreicht und 2011 die Weinberge untersucht und in elf Parzellen gegliedert, die getrennt ausgebaut werden. Im Jahr 2015 verweigerte die Verkostungskommission der Franciacorta, die im Wesentlichen aus Abgeordneten der großen Franciacorta-Produzenten besteht, den Weinen des Weinguts aus den Jahrgängen 2011 und 2008 die Anerkennung als DOCG Franciacorta. Sie seien zu üppig, zu komplex und Antonio solle nächsten Jahr wiederkommen, hieß es. Doch Antonio ist nie wiedergekommen und die Weine wurden ab diesem Zeitpunkt Jahr nur noch als Landweine deklariert. Das war konsequent, aber auch mit einem hohen Risiko behaftet, kann man mit dem Label Franciacorta doch sehr gutes Geld verdienen.


CHRISTOPH RAFFELT

...dies sind Schaumweine mit einer Tiefe und einem Charakter, die man in Franciacorta tatsächlich vorher noch nie so im Glas hatte.

Bekleidung, Schuhwerk, Schuh, Kiste

Präzision und langes Hefelager

Den Schaumweinen von Cà del Vént vorzuwerfen, sie seien zu üppig ist Anbetracht dessen, was man im Allgemeinen unter Franciacorta versteht, natürlich einigermaßen absurd. Gerade Franciacorta mit seinem Hang zum Duft üppiger Brotkrusten und Brioche mit dem oft süß-seidigen Mundgefühl sind die eigentlichen Inkarnationen dieses üppigen Stils, während die Schaumweine von Cà del Vént ihre Herkunft von diesem wirklich einzigartigen Ort nicht verhehlen. Dass sie zu komplex seien, entlarvt dagegen im Zweifelsfall die eigenen Unzulänglichkeiten. Um den eigenen, unverwechselbaren Stil immer präziser werden zu lassen, wird konsequent biodynamisch und mit zusätzlichen eigenen, dem Ort angemessenen Methoden gearbeitet. Die Erträge liegen hier bei 700 bis 1.000 Gramm Trauben pro Stock. Im Jahr 2017 waren es auf Grund von Hagel rund 60 % weniger. Natürlich wird spontan vergoren, und zwar im Fass, wo die Grundweine dann auch für sieben Monate ausgebaut werden. Es gibt keine Kaltstabilisierung, keine Filtration, keine Schönung und – beim Degorgieren – wird auch nichts hinzugefügt bis auf den Wein aus der gleichen Charge zum Auffüllen der Flasche. Man nennt dies „pas operé“. Antonio: „Wenn man will, dass das Terroir im Glas zum Ausdruck kommt, sollte der Weinberg klein sein und von Obstbäumen, Wald, guter Natur und wilden Kräutern umgeben sein. Wenn man die Augen schließen und das Terroir des Weins allein durch das Trinken verstehen will, wenn man den Lehm und den Kalkstein, den Boden im Allgemeinen und die Jahreszeit, das Klima dieses Jahrgangs und die Identität der Trauben spüren will, muss man klein sein, kleine Mengen vinifizieren, die Reben mit großer Sorgfalt pflegen, und das kann nur von Hand und mit vielen Leuten geschehen, die in den Weinbergen arbeiten. Im Keller folgt daraus natürlich, dass man, wenn man einen ehrlichen, transparenten und geradlinigen Wein herstellen will, nichts tun darf, nicht eingreifen darf, und das kann man sich nur leisten, wenn man klein ist.“ Tatsächlich spricht er den großen Erzeugern die Fähigkeit bzw. de Willen, das Terroir der Region zu repräsentieren, ab.

Bei Antonio Tornincasa und Flavio Faliva kann man es nun bei aktuell vier Schaumweinen nachvollziehen. Der „MFPC“ ist eine Cuvée aus zwei Parzellen und den beiden Rebsorten Chardonnay und Pinot Noir (Pinot Nero), gelesen 2018, für 56 Monate auf der Hefe belassen und dann nach besagter Methode Brut Nature degorgiert (auch wenn die Weine als Brut deklariert werden). Der „Pensiore“ 2018 ist der etwas jüngere Chardonnay mit „nur“ 46 Monaten Hefelager. Darüber steht jeweils ein „Blanc de Noir“ und ein „Blanc de Blanc“ aus 2017, bis später im Jahr noch der 2013er „Sospiri“ hinzukommen wird. Es sind Schaumweine von großer Tiefe, die sehr eigenständig sind. Sie gleichen keineswegs den üblichen Franciacorta, sind jedoch ebenso wenig Champagne-Epigonen. Allerdings man merkt schnell, dass die beiden Erzeuger viel von Champagner verstehen und hier den handwerklichen Stil, der mit dem Ausbau im Fass und einer leichten Oxidation spielt, bevorzugen. Wer mit Schaumweinen der Lombardei, respektive der Franciacorta auch nach einer Vielzahl von Verkostungen bisher wenig anfangen konnte, der sollte seinen Zähler auf null stellen, Cà del Vént probieren und das Potenzial der Region neu entdecken.

Text von Christoph Raffelt
Author Christoph Raffelt