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WEIN-WISSEN

Terroir, Kreide & Charakter:
Ein tiefer Blick in die Champagne

Eine geologische und stilistische Reise durch die Subregionen

Die Champagne befindet sich im größten Wandel ihrer Geschichte. Für Sommeliers und Händler ist längst klar: Die Zeiten, in denen Champagne nur ein "Marken-Konstrukt" war, definiert durch den Kellermeister-Blend der großen Häuser, sind vorbei. Heute dominiert der Terroirgedanke. Es geht um Parzellen, um Bodenformationen und um Winzer, die ihre Weinberge so präzise lesen wie die Burgunder ihre Climats.
Basierend auf unserem Portfolio und der aktuellen geographischen Aufteilung, nehmen wir Sie mit auf eine Reise durch die entscheidenden Subregionen, die das Gesicht der modernen Champagne prägen.
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1. Montagne de Reims: Die Kraft des Pinot Noir auf tiefer Kreide

Das "Hufeisen" südlich von Reims ist das historische Herzstück der Region. Hier dominiert der Pinot Noir, der auf tiefen Kreideböden (teilweise mit Lehmauflage) eine Struktur und Langlebigkeit entwickelt, die weltweit einzigartig ist. Die Weine hier zeichnen sich durch rückenmarkshafte Säure, gepaart mit breiter Schulter und phenolischer Tiefe aus. In unserem Portfolio spiegelt sich die Vielfalt dieses massiven Terroirs wider: 
  • Benoît Marguet in Ambonnay ist zweifellos die Speerspitze der biodynamischen Bewegung. Seine Arbeit mit der Phytotherapie im Weinberg definiert Grand Cru neu, voller Energie und spiritueller Tiefe. 
  • Wer die Präzision sucht, findet sie bei Huré Frères (Ludes) und Lacourte-Godbillon (Ecueil). Beide Häuser arbeiten herausragend parzellenbezogen und zeigen, wie finessenreich Pinot Noir auf der Nordseite (Petite Montagne) sein kann. 
  • Bonnet Ponson in Chamery beweist, dass auch "Meunier-Inseln" in der Montagne de Reims (Premier Cru) komplexe, salzige Weine hervorbringen können. 
  • Für die Avantgarde stehen Namen wie Emmanuel Brochet (Le Mont Benoit) und Elise Bougy. Brochets Weine sind rar und gesucht, Meisterwerke der Spannung. Bougy bringt eine neue, feminine und dennoch kompromisslose Handschrift in die Region. 
  • Ergänzt wird diese Riege durch Jean Servagnat und Solemme, die den Terroirgedanken konsequent weiterführen.

2. Vallée de la Marne: Die Renaissance des Meunier

Lange Zeit unterschätzt, ist das Marnetal heute einer der spannendsten Spielplätze für Charakterweine. Die Böden werden hier heterogener: Mehr Lehm, Mergel und Sand über der Kreide bieten dem Pinot Meunier ideale Bedingungen. Die Weine sind oft fruchtbetonter, runder, besitzen aber in den Händen unserer Winzer eine fast "erdige" Mineralität und enorme Lagerfähigkeit. 
  • Georges Laval in Cumières ist eine Legende. Seit 1971 biologisch bewirtschaftet, sind diese Weine Monumente der Langlebigkeit und zeigen, was Meunier auf Premier-Cru-Niveau leisten kann. 
  • Das Haus Tarlant in Oeuilly ist berühmt für seine "Zero Dosage"-Philosophie und extrem langes Hefelager. Sie beweisen, dass das Marnetal Weine von messerscharfer Präzision hervorbringt. 
  • Mit Jérôme Blin haben wir einen Biodynamiker, dessen Weine aus Vincelles eine unglaubliche Textur aufweisen, hier trifft Handwerk auf pure Natur. 
  • Die neue Generation, vertreten durch Alexis (Champagne Alexis), Régis Poissinet und Alexandre Chaillon, bricht endgültig mit den Konventionen des Tals. Sie setzen auf Holzausbau, Spontanvergärung und zeigen die wilde, ungezähmte Seite der Marne.
© Mika Boudot

3. Côte des Blancs: Die Kathedrale des Chardonnay

Südlich von Epernay ändert sich alles. Der Boden ist hier fast pure Belemnit-Kreide. Das ist das Reich des Chardonnay. Sommeliers schätzen diese Weine für ihre "Kreide-Elektrik", diese vibrierende Säurestruktur, die oft an Zitruszesten, weiße Blüten und nasse Steine erinnert. 
  • Larmandier-Bernier (Vertus) ist hier der Referenzpunkt für biodynamischen Weinbau an der Côte. Ihre Weine (wie der 'Longitude') sind flüssiger Stein, puristisch und tiefgründig. 
  • De Sousa in Avize arbeitet mit extrem alten Reben (Vieilles Vignes) und biodynamischen Methoden, was dem Chardonnay einen fast cremigen Schmelz bei hoher Mineralität verleiht. 
  • In den Grand Cru Lagen Cramant und Chouilly zeigen Pertois-Lebrun und Vazart-Coquart, wie unterschiedlich Chardonnay je nach Exposition schmecken kann, von stahlig bis opulent. 
  • Waris-Larmandier bringt eine künstlerische, fast ätherische Leichtigkeit in die Flasche. 
  • Ein besonderer Hinweis: Jeaunaux-Robin liegt technisch im Vallée du Petit Morin (südwestliche Verlängerung), wird stilistisch aber oft hier verortet. Auf den dortigen silexhaltigen Böden entsteht ein ganz eigener, rauchigerer Typus, der eine fantastische Ergänzung zur klassischen Côte des Blancs darstellt.

4. Côte de Sézanne: Die sonnige Verlängerung

Geografisch wirkt die Côte de Sézanne wie ein Ausläufer der Côte des Blancs, getrennt durch die Sümpfe von Saint-Gond. Auch hier regiert der Chardonnay, doch das Terroir erzählt eine andere Geschichte. Die Böden sind zwar kreidehaltig, weisen aber oft höhere Anteile an Lehm und Mergel auf als im Norden. Zudem sind die Weinberge häufiger nach Südosten ausgerichtet. Das Ergebnis sind Chardonnays, die sich deutlich von der "stählernen" Art der Côte des Blancs unterscheiden: Sie sind in der Regel runder, früher zugänglich und zeigen oft eine exotischere Fruchtaromatik (Pfirsich, Melone) bei etwas weicherer Säurestruktur. Für den Profi ist die Sézanne das stilistische Bindeglied auf dem Weg in den Süden.

5. Côte des Bar (Aube): Das wilde Burgund der Champagne

Geologisch gehört die Aube eigentlich schon fast zum Chablis (Kimmeridgium-Kalk). Hier, weit im Süden, ticken die Uhren anders. Es ist die Heimat der Rebellen, der Innovationen und des Pinot Noir mit einer ganz anderen, würzigeren und satteren Aromatik als im Norden.
Die Dichte an Top-Winzern in unserem Portfolio hier ist bemerkenswert:
  • Vouette & Sorbée (Bertrand Gautherot) und Charles Dufour sind Kultfiguren der Naturwein-Szene. Ihre Weine werden kaum degorgiert, geschweige denn geschwefelt (oder nur minimal) und sind radikale Ausdrucksformen des Bodens.
  • Das Projekt Clandestin (eine Kooperation mit Gautherot) widmet sich den "vergessenen" kühlen West-Lagen, pure Frische und Spannung.
  • Olivier Horiot in Les Riceys ist berühmt für seine Stillweine (Rosé des Riceys), aber seine Champagner sind ebenso kompromisslos und terroirbezogen.
  • Drappier ist das historische Gewissen der Aube, Urvater des Pinot Noir in der Region und Vorreiter bei schwefelarmen Füllungen.
  • Die junge Garde um de BicheryPetit Clergeot und Louise Brison zeigt, warum die Aube aktuell als die dynamischste Region der Champagne gilt: Hier entstehen Weine mit Ecken, Kanten und enormem Trinkfluss.
Die Champagne ist nicht mehr monolithisch. Wer heute eine Weinkarte kuratiert, braucht die Vielfalt: Die aristokratische Kreide der Côte des Blancs, die Pinot-Power der Montagne de Reims, die unterschätzte Komplexität des Vallée de la Marne und die wilde, burgundische Seele der Côte des Bar.

VINATUREL

Großer Champagner entsteht nicht im Labor, sondern tief verwurzelt in der Erde. Entdecken Sie die Charaktere unserer Winzer.