Verkostungsnotiz von vom 31.08.2020, Copyright Sebastian Bordthäuser und Vinaturel:
Kurzvita Sebastian Bordthäuser:
Sebastian Bordthäuser ist Quereinsteiger. Der studierte Gitarrist und Germanist machte seine Leidenschaft zur Passion und ist stets bestrebt, eine gemeinverständliche Sprache für den Wein zu finden. Die Grundlagen der Sensorik sind das Fundament für seine Liebe zum Wein. Nach seinen Job als Chefsommelier im Steinheuers Restaurant Zur Alten Post (Michelin **, 19 GM) schreibt der „Falstaff Sommelier des Jahres 2012“ für Effilee, BEEF, die Welt Am Sonntag und weitere Genussmagazine und ist immer auf der Suche nach kulturgeschichtlichen Hintergründen und Abgründen. Zahlreiche Moderationsjobs schärfen sein Profil als Weinunterhalter.
Kai Schätzel sieht seine Art der Bewirtschaftung als Antwort auf die Fragen, die die Klimaerwärmung an den modernen Weinbau stellt. Bereits 2008 hat er begonnen, mit biologischen, biodynamischen und nachhaltigen Elementen seine Weinberge am Roten Hang so zu bewirtschaften, um gesunde und autarke Reben zu erziehen, die sich selbständig versorgen und nicht auf auf menschliche Hilfe angewiesen sind. Dazu gehört es, die Reife zu entschleunigen und die Berge mittels dry farming in eine neue Balance zu führen. Die Trauben für die Weine werden nach dem Prinzip des selbst entwickelten ‚golden cuts‘ gelesen. Rund 90-100 Tage nach der Blüte wird in mehreren Durchgängen genau dann geerntet, wenn ihre Farbe von grün zu goldgelb wechselt. Im Weingut werden sie mit Füssen getreten, bevor sie rund eine Woche auf der Maische liegen, bevor gepresst wird. In gut 80% aller Fälle wird nicht vorgeklärt bevor der Most mittels Gravitation in Stück- und Halbstückfässer kommt, wo er spontan zu gären beginnt und bis zur Füllung auf der Vollhefe verbleibt. Die in Wiesbaden präsentierten und hier beschriebenen Weine wurden drei Tage vor der Premiere extra gefüllt, eine weitere Charge liegt im Weingut noch auf der Vollhefe. Der Ölberg ist der Wein, der sich in der Jugend stets am zugänglichsten zeigt und eine gewisse Frucht und Wärme im Glas aufbaut.
Helles Strohgelb mit grünen Reflexen und silbern auslaufendem Rand.
Eine steinig-ätherisch Melange aus Zitrus- und Kräuternoten, die deren gesamtes Spektrum auffächert: Orangenöl mischt sich mit herben Aromen nach Bergamotte, Amalfi-Zitronen, grünen Mandarinen sowie angeschnittenem Apfel. Nasse Tafelkreide und Kieselsteine setzen mineralische Akzente und werden von ätherischer Bachminze in der Kopfnote ergänzt. Darüber schwebt der typisch Schätzel’sche Böckser, der sich nach ausreichender Reife und/oder Belüftung aber schnell verabschiedet und dem strukturellen Erlebnis keinerlei Abbruch tut.
Die reife Säure fungiert als treibendes Parameter des 2019er Ölberg Riesling Großes Gewächs von Kai Schätzel. Cremig eingebettet in feine Mineralik zeigt er sich aufrecht, keinesfalls plauderhaft, eher in jugendlicher Zurückhaltung. Doch sein Grip am Gaumen enttarnt ihn als strukturell tiefgründig, und so braucht es bloss ein wenig Zeit, um zur vollen Größe aufzulaufen. Kompromisslos und gradlinig mit jugendlich schüchterner Frucht ist der Ölberg ein individueller Wein mit eigenem Anspruch und Regeln mit mineralisch kühlem Finish.
Speiseempfehlungen von Sebastian Bordthäuser:
- Gelbe Bete Carpaccio mit Verbene-Öl und Sancho-Pfeffer
- Knurrhahn mit confierter Orange und Oregano
- Stubenküken mit Bagna Cauda-Sauce aus Knoblauch, Sardelle und bestem Olivenöl