Verkostungsnotiz von vom 20.09.2020, Copyright Sebastian Bordthäuser und Vinaturel:
Kurzvita Sebastian Bordthäuser:
Sebastian Bordthäuser ist Quereinsteiger. Der studierte Gitarrist und Germanist machte seine Leidenschaft zur Passion und ist stets bestrebt, eine gemeinverständliche Sprache für den Wein zu finden. Die Grundlagen der Sensorik sind das Fundament für seine Liebe zum Wein. Nach seinen Job als Chefsommelier im Steinheuers Restaurant Zur Alten Post (Michelin **, 19 GM) schreibt der „Falstaff Sommelier des Jahres 2012“ für Effilee, BEEF, die Welt Am Sonntag und weitere Genussmagazine und ist immer auf der Suche nach kulturgeschichtlichen Hintergründen und Abgründen. Zahlreiche Moderationsjobs schärfen sein Profil als Weinunterhalter.
Das Haus Recaredo wurde 1924 von Josep Mata gegründet und zählt heute zu den führenden privaten Cava-Produzenten feinster Boutique-Cava. Auch heute noch werden viele Produktionsschritte wie damals ausgeführt: Die Cava reifen unter Kork statt unter Kronkorken, jede Flasche wird von Hand gerüttelt und später ohne Vereisung des Flaschenhalses schonend degorgiert. Alle Cavas des Hauses werden ohne Versand-Dosage als Brut Nature gefüllt. Seit einigen Jahren setzt das Haus auf biodynamische Praktiken in ihren Weingärten im hoch gelegenen Alta Penedès, dem Teil, der sich ideal für die Produktion eleganter Cava eignet. Der Terres Gran Reserva Brut Nature ist eine Cuvée aus 46% Xarel-lo, 36% Macabeu und 18% Parellada und reifte 34 Monate auf der Hefe, bevor Anfang 2020 degorgiert wurde.
Kräftiges Strohgelb, leuchtend und klar.
Der 2016 Recaredo Terres Gran Reserva Brut Nature strahlt eine enorme Ruhe aus. Die vielschichtige und komplexe Nase braucht eine Zeit lang, bis man den Wein vollständig erfassen kann. Zunächst oszilliert er zwischen Frucht und Gebäck. Eine Aprikosen-Tarte mit leicht salzigem Mürbeteig kommt ihm recht nahe, wird dann jedoch bald von einer kräuterwürzigen Kaskade nach Anis und Kerbel in seine Grenzen gewiesen, bis sich eine vorlaute Quitte ins Bild schiebt und beginnt von Orangeat und Keksen zu erzählen. Über alldem schwebt der morgendliche Duft, den Bäckereien gegen vier in der Früh zu verströmen pflegten.
Im Antrunk ist er getragen von feinperligem Mousseux und charmanter Extraktsüße, am Gaumen aufgeräumt und füllig, der Gesamteindruck charakterisiert ihn als ungemein weinigen Typus, dem die Apertif-Situation, Gläseklingen und weiße Jacketts völlig egal sind. Ihm geht es um die große Kunst an der reich gedeckten Tafel. Die Säure mild und die Frucht gerahmt von Noten nach wildem Fenchel und Salbei wird er herb flankiert von animierender Phenolik und filigraner Oxidation. Am Gaumen baut er langsam Druck auf und zeigt sich in seiner komplexen Vielschichtigkeit cremiger Textur und mit persistenter Länge, die mit ruhiger und fester Stimme unmißverständlich nach großer Küche verlangt.
Speiseempfehlungen von Sebastian Bordthäuser:
- Pasta mit Walnuss-Pesto und Petersilie
- Gebratene Meeräsche auf Rollgerste im weiße Bohnen-Fond mit Thymian-Öl
- Persisches Huhn mit krossem Safran-Reis und Berberitzen