Verkostungsnotiz von vom 12.08.2020, Copyright Christoph Raffelt und Vinaturel:
Kurzvita Christoph Raffelt:
Christoph Raffelt, der Herausgeber des Blogs orginalverkorkt.de , schreibt seit 2007 über Wein. Mittlerweile ist das Blog originalverkorkt.de mit mehr als 800 Artikeln zu einer festen Größe in der deutschsprachigen Weinwelt geworden. Neben der Bloggerei hat es ihm das Podcasten angetan. Zusammen mit seinem Freund Holger Klein gibt es alle vier bis fünf Wochen die Weinunterhaltungssendung WRINT Flaschen. Dazu erscheinen Originalverkorkt-Podcasts mit Persönlichkeiten aus der Weinwelt. Zudem schreibt er regelmäßig für Schluck, effilee und die taz.
Der älteste Teil der drei Chambertin-Grand-Cru-Parzellen, die die Trapets besitzen, wurde 1919 gepflanzt. Die Parzellen verfügen über eine komplexe geologische Zusammensetzung. Der untere Teil besteht aus Kalkmergel mit viel Ton im Oberboden. Der obere Teil ist viel weißer, also kreidiger und noch mergeliger, was eine Verlangsamung des vegetativen Zyklus bewirkt. Insgesamt besitzt die Familie dort 1,9 Hektar.
Der Jahrgang ist für Jean Louis Trapet einer der besten in der Geschichte der Domaine. Diese Einschätzung wird dadurch unterstützt, dass der 2018er Chambertin Grand Cru mit der höchsten Punktzahl aller Weine aus Neal Martins 2018er-Verkostung für Vinous hervorgegangen ist. Das Jahr begann mit einem frühen starken Austrieb, der etwas später dadurch relativiert wurde, dass ein feuchter Mai Mehltau brachte und auf natürliche Art die Menge begrenzte. Danach wurde es heiß und trocken, doch die starken Frühjahrsregen hatten die Wasserspeicher der Weingärten aufgefüllt. Im Juli kam noch etwas Regen hinzu, und bis zur Lese am 4. September blieb es warm, teils war es sogar heiß und trocken. Die Lese erfolgte bis zum 12. September unter idealen Bedingungen. Die einzige Herausforderung war: Man musste schnell sein; denn innerhalb von fünf Tagen legte der Zuckergehalt der Beeren um 25 Gramm (!) zu. Da die Beeren dickschalig waren, die Kerne reif und die Rappen gut verholzt, entschied sich Jean Louis für eine komplette Ganztraubenvergärung. Die Rappen brachten mehr Struktur und etwas Kühle in den Wein, und der langsame Austritt des Zuckers sorgte für Finesse. Beim Chambertin Grand Cru kam rund 50 % neues Holz zum Einsatz. Wie sagt es Jean Louis Trapet?: »Welch köstliche Frucht im Chapelle! Welch eine Komplexität im Latricières! Welche Macht im Chambertin!«
Größe ist bei diesem Wein unschwer zu erkennen. Und im Gegensatz zu der Inflation an hoch bepunkteten Weinen, die einem so im Laufe des Jahres unterkommen, ist wahre Größe dann doch eher rar gesät. Hier ist sie auf den Punkt gebracht. Der 2018er Chambertin ist stimmig und atemberaubend präzise definiert mit einem nahtlosen Übergang von feiner roter und dunkler Frucht zu noch feineren Noten indischer Gewürze, bestem Holz und kühler Steinigkeit. Der Chambertin wirkt schon im Duft – und später bestätigt sich das am Gaumen – wie die Quintessenz aus Latricières und Chapelle, wobei das Ganze dann nochmal mehr ist als die Summe der zweifelsohne schon großartigen Teile. Hier trifft kühle Präzision auf wollüstige Üppigkeit. Hier verbinden sich reife dunkle Früchte mit säurebetonten Kirschen und Berberitzen auf einem Bett von dunkler Schokolade und mit einer Kopfnote von Rosenblättern.
Am Gaumen setzt sich dieser Eindruck nahtlos fort. Der 2018er Chambertin bietet unglaublich viel, ohne zu viel zu sein. Diese herrliche Fülle bezeichnet man in Frankreich als Plénitude, und sie trägt zur Vollkommenheit dieses Weines bei, der eine unglaubliche Finesse und Klarheit in der genau auf den Punkt gereiften und von klarer Säure durchzogenen Frucht bietet. All das wirkt dabei wunderbar mühelos und bei aller Kraft und Tiefe geradezu spielerisch. Man muss kaum betonten, dass das Tannin seidig und pudrig ist und der Wein den Neuholzanteil von 50 % ebenso locker verarbeitet wie die 100 %ige Ganztraubenvergärung. Der Wein ist voll und auskleidend, er rinnt in Wellen den Gaumen hinab, wo er Minuten zu verharren scheint, bevor er sich langsam verabschiedet. Dass Neal Martin diesem Wein die höchste Note seines Burgund-Jahrgangsreports nach dem Besuch von mehr als 100 Weingütern verleiht, ist nach dem Genuss absolut nachvollziehbar. Wohl dem, der die Chance hat, diesen Wein im Laufe seiner Entwicklung zu begleiten.
Speiseempfehlungen von Christoph Raffelt:
- Taube mit Kirschen und Waldpfeffer auf sautiertem Mangold
- Wagyu MS9+ mit sautierten Pfifferlingen, getrüffeltem Kartoffelpüree und Kalbsjus
- Fondue bourguignonne